BH als Airbag gegen Gewalt

Büstenhalter für Rumänien

BH

Von Frauen am Steuer, #metoo und Emmanuel Macron

Persönliche Gedanken zu den letzten paar Monaten

DIESERIm September 2017 wurde publik, dass Frauen in Saudi-Arabien das Autofahren erlaubt werden sollte. Trotz erheblichen Defiziten in Punkto Gleichstellung im nahöstlichen Land erlebten Frauenrechte einen doch deutlichen Aufwind und meine für Frauenrechte zuständigen Hirnzellen meldeten eine positive Brise. Dann kam die Akte Weinstein: Als der Hollywood-Filmboss Harvey Weinstein der Vergewaltigung und der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde, kam es mir fast hoch. Nicht etwa, weil ich nicht wusste, dass solche Dinge passieren, sondern weil mir einmal mehr vor Augen geführt wurde, in was für einer Welt wir leben. Die positive Brise wurde durch ein wuchtiges Gewitter ergänzt, das sich erst mit der #metoo-Bewegung zu legen vermochte: „Frauen, wehrt euch und macht allen bewusst, welches Ausmass an sexueller Belästigung und sexueller Nötigung wir mittlerweile erreicht haben!“ Die Botschaft war klar und deutlich, das Ausmass des Problems unerwartet hoch und die Entrüstungswelle überall spürbar. Ich persönlich begann, meine Freundinnen nach ihren Erfahrungen zu fragen und die resultierenden Diskussionen waren ebenso ermutigend wie entrüstend: Ermutigend, weil wir miteinander gesprochen haben und versucht haben, Gründe und Lösungen zu finden. Entrüstend, weil jede Frau eine derartige Geschichte auf Lager hat. Manche sind glimpflich ausgegangen, manche weniger. Manche waren schnell vorbei, manche dauerten an. Aber sie alle hatten eines gemeinsam: Es betrifft uns alle. Und mit „uns alle“ meine ich die ganze Gesellschaft. Es geht nicht nur um die Frau, deren Brüste im Club begrapscht wurden. Es geht auch um den Mann, der in seiner idiotischen und mittelalterlichen Denkweise glaubt, dies sei okay. Und es geht um seinen Kollegen, der seine Handlung mit einem Kopfnicken und einem Handschlag würdigt. Es geht um die Barkeeperin, die das Geschehene beobachtet und mit einem Zungenschnalzen reagiert. Es geht um ihre Freundinnen, die der besagten Frau nach dem Grapschangriff einen Drink holen, um doch noch einen schönen Abend erleben zu können. Es geht um die Mutter, die den Vorfall am nächsten Morgen mit einem „Männer sind halt so“ kommentiert. Es geht um den Türsteher, der besagten Vorfall nicht in seinem Aufgabengebiet ansiedelt.

Der Kampf gegen sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt ist noch lange nicht vorbei, er wird sich aber hoffentlich in einer Gesellschaft abspielen, in welcher Frauen dies nicht für sich behalten müssen und in welcher Täter (und auch Täterinnen) keinerlei Macht, Anerkennung oder Selbstwertgefühl aus dem Vorgefallenen ziehen können. Der erste Schritt für die Schaffung einer solchen Gesellschaft ist getan bzw. in vollem Gange: Sprechen wir darüber, tauschen wir uns aus, berichten wir von unseren Erfahrungen. Der zweite Schritt, nämlich die Umsetzung auf Gesellschaftsebene, wird länger dauern. Doch er wird bereits grösser, wie folgende politische Massnahmen zeigen: In Frankreich erklärt Emmanuel Macron die Gleichberechtigung zum zentralen Thema seiner Amtszeit, in Deutschland will Martin Schulz die Debatte um die sexuelle Belästigung beenden, in der Schweiz wurden neue Massnahmen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt und Stalking erlassen und CVP-Nationalrat Yannick Buttet wegen Stalking- und Belästigungsvorwürfen suspendiert.

Meine Botschaft heute soll sein: Die 16 Tage sind vorbei, aber der Kampf gegen sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt geht weiter. Nicht nur im Rahmen des Projekts „BH gegen Gewalt“ und für die Frauen im rumänischen Frauenhaus, sondern in allen möglichen Bereichen. In dieser akut aufgeladenen Situation sind Aufgeben und Ruhigsein das Letzte, woran wir denken sollten. Und zwar wir alle.

– Laura, Praktikantin bei ora international Schweiz

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